Nach Amoklauf in Graz: Keine Klicks für Tränen

2025/06/13

Anna Stockhammer

Was in der Grazer Amoklauf-Berichterstattung schiefläuft – und warum ich mich als Journalistin selbst hinterfragen muss.

Die Sonne knallt auf den Asphalt. Mittwoch, 9.53 Uhr, kurz vor der Schweigeminute in ganz Österreich. Jugendliche sind in Graz zu ihrer Schule, der BORG Dreierschützengasse, zurückgekehrt, um zu trauern. Sie hocken sich vor den Eingang, umarmen sich, weinen, legen Rosen, Kerzen und Zeichnungen auf den Boden. Auch einige Politiker:innen sind gekommen.

Und wir. Die Medien.

Mit aufgestellten Kameras, gezückten Handys, Mikrofonen, Schreibblöcken und Tablets. Sobald jemand eine Blume ablegt, die Hände vors Gesicht schlägt, laut aufschluchzt, hält jemand drauf. Die Absperrung direkt vor der Schule, hinter der die meisten Kinder und Jugendliche trauern? Höchstens symbolisch. Die Medienschaffenden heben ihre Kameras einfach darüber, fangen die Bilder ein, setzen die trauernden jungen Menschen der Öffentlichkeit aus, nehmen ihnen die Privatsphäre. Tränen sind Klicks.

Ich bin eine von „den Medien“. Handy in der Hand, Laptop in der Umhängetasche. Ich stehe etwas abseits. Und mir ist schlecht. In meinem Bauch das Gefühl von Scham und tiefem Unbehagen. Tausend Gedanken wirbeln durch meinen Kopf: Was machen wir da? Wieso belagern wir die Jugendlichen? Warum hält jemand dem weinenden Kind die Kamera ins Gesicht? Wo sind wir gelandet? Wo führt das hin?

Und: Da kippt etwas, da gerät etwas ins Rutschen.

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